Begegnung von Jung und Alt

ein diakonisches Praxisprojekt

Auf einen Blick

Art

Projekt

Thema

Diakonie

Gruppengröße

ganze Klasse

Altersstufe

8. Klasse

Idee

Schule Steglitz

Aufwand

mittel

Projekt

Diakonie

ganze Klasse

8. Klasse

Schule Steglitz

mittel

Deshalb evangelisch:

Im Fokus des Projekts steht der diakonische Gedanke. Es soll christliche, ethische und soziale Werte erfahrbar machen und den Einstieg in diakonisches Handeln ermöglichen.

Allgemein

Das Projekt „Begegnung von Jung und Alt“ ist ein diakonisches Praxisprojekt, das im zweiten Halbjahr der 8. Klasse im Religionsunterricht (RU) stattfindet. Es soll christliche, ethische und soziale Werte erfahrbar machen und den Einstieg in diakonisches Handeln ermöglichen. Im Mittelpunkt stehen dabei der Austausch und das gegenseitige Lernen zwischen den Generationen. Über einen Zeitraum von zehn Wochen entfällt der reguläre Religionsunterricht, und die Schülerinnen und Schüler besuchen stattdessen einmal wöchentlich eine ältere Person für etwa 90 Minuten. Während der Ferien pausiert das Projekt. Es wird bereits seit 2004/2005 an der Evangelischen Schule Steglitz durchgeführt.

Konzeption
Ziel und Struktur

Das Hauptziel des Projekts besteht darin, die Perspektiven des diakonischen Handelns praktisch zu erfahren und zu erlernen. Der Fokus liegt nicht auf der Unterstützung älterer Menschen, sondern auf dem gegenseitigen Lernen und Erleben. Das Projekt fördert die Kommunikation zwischen den Generationen sowie Empathie und Anteilnahme in unterschiedlichen Lebensphasen. Es basiert auf der Überzeugung, dass beide Seiten – die Schüler*innen und die älteren Menschen – voneinander lernen und aus der gegenseitigen Anteilnahme profitieren können. Gleichzeitig kommen die Schüler*innen dadurch auch mit komplexen Themenfeldern in Berührung, die sie sonst oft nicht oder nur abstrakt kennen (z.B. Krankheit, Tod und Lebensherausforderungen im Alter). Eine ausführliche Vor- und Nachbereitung sind daher ebenso wichtig wie die Begleitung der Schüler*innen während des Projekts.

Die Schüler*innen suchen sich selbstständig Projektpartner*innen. In der Regel stammen diese aus dem direkten Umfeld der Jugendlichen: Großeltern von Freunden, Nachbar*innen, Gemeindemitglieder oder ehrenamtliche Personen im Schulumfeld (Lesepat*innen, Mitglieder des Fördervereins, etc.). Um einen ausreichenden Abstand zur eigenen Altersgruppe, aber auch zu den Eltern zu haben, empfiehlt sich ein Grundalter von 65 Jahren für die Projektpartner*innen.

Die Besuche

Der Besuch erfolgt am Nachmittag oder am Wochenende bei den älteren Menschen zu Hause und orientiert sich an gemeinsamen Aktivitäten wie Kino- und Ausstellungsbesuchen, dem Ausüben von Hobbys, gemeinsamem Kochen oder Essengehen. Die Schüler*innen haben die Möglichkeit, in einem anderen Umfeld Neues zu entdecken und zu erleben. Gleichzeitig gewinnen die älteren Menschen durch die Besuche der jüngeren Generation eine neue Perspektive auf vertraute Gegebenheiten. Durch die wöchentlichen Termine soll eine Regelmäßigkeit entstehen, die ein wirkliches Kennenlernen und eine Teilnahme am gegenseitigen Leben ermöglicht. 90 Minuten pro Besuchszeit entsprechen dem Zeitaufwand des wöchentlichen RU. Die Zeit kann und wird aber oft auch verlängert. Bei Krankheit oder bei längeren Ausflügen können einzelne Termine auch zusammengelegt werden, allerdings sollte die Regelmäßigkeit darunter nicht leiden.

Wichtig ist: Es sollen keine Pflegetätigkeiten ausgeübt werden. Nicht nur werden die Schüler*innen damit überfordert, es bricht auch mit dem Konzept der Gegenseitigkeit. Die Projektpartner*innen befinden sich daher in der Regel auch nicht in Pflegesituationen oder Seniorenheimen. Das praxisbezogene Kennenlernen von diakonischen Einrichtungen ist nicht Teil des Projekts.

Der Religionsunterricht

Während der Projektzeit von etwa 10 Wochen entfällt der Religionsunterricht, um Ressourcen für die Besuche bei den älteren Menschen zu schaffen. Stattdessen können individuelle Beratungsstunden wahrgenommen werden. Die Lehrkraft steht für Gesprächsbedarf bereit, berät bei auftretenden Problemen und sucht gemeinsam mit den Schüler*innen Lösungsansätze.

Als Vorbereitung auf das Projekt findet im RU eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema „Alter“ statt. Hier können erste Fragestellungen und auch Bedenken bearbeitet werden. Was bedeutet es, älter zu werden? Welche Perspektiven, Stereotype und Vorstellungen gibt es in Bezug auf das Alter oder das Jung-Sein? Wie stelle ich mir ein gelingendes Leben langfristig vor? Aber auch Bezugsthemen wie „Tod und Sterben“, der Umgang mit Demenz und anderen Krankheitsbildern oder der Themenkomplex „Diakonie“ können die Besuche sinnvoll vorbereiten.

Das Tagebuch

Begleitend zu den Besuchen führen die Schüler*innen ein Tagebuch. Das Tagebuch dient als Reflexionsgrundlage und unterstützt die Schüler*innen dabei, ihre Erlebnisse und Erkenntnisse aus den Besuchen systematisch zu verarbeiten. Zudem wird das Tagebuch als Bewertungsgrundlage für eine schriftliche Note herangezogen. Eine handschriftliche, nicht computergestützte Anfertigung ermöglicht eine entschleunigte Bearbeitung und Reflexion und gibt Raum für kreative und haptische Elemente. Nicht selten werden aus den Tagebüchern kleine Kunstwerke, da die Schüler*innen Fotos, Zeichnungen, Konzertkarten, Briefe oder ähnliche Souvenirs und Erinnerungsstücke in das Tagebuch einfügen.  So entsteht für die Schüler*innen ein bleibendes Andenken an die Zeit und eine Verbindung zu den Projektpartner*innen. Oft wird ihnen das Tagebuch zum Lesen überlassen. Mitunter entstehen daraus Möglichkeiten für eine weitere fachübergreifende Unterrichtsbeschäftigung. Erinnerungen und Zeitzeugenberichte zur DDR, Flucht- oder allgemeine Lebensgeschichten der älteren Personen können die Tagebucheinträge stark prägen und für eine historische Auseinandersetzung genutzt werden.

Die Bewertung des Tagebuchs erfolgt nach Kriterien, die den Schüler*innen vorab transparent gemacht werden: Vollständigkeit, Umfang, äußere Form, künstlerische Gestaltung, Reflexionsstruktur.

Die Nachbereitung

Zur Nachbereitung, Reflexion und Auswertung des Projekts in der Gruppe erstellen die Schüler*innen eine kurze Präsentation über ihre Besuche. In dieser Präsentation haben bestimmte Ereignisse und Erlebnisse Raum zur Vertiefung. Aber auch geschichtliche Hintergründe zu prägenden Ereignissen im Leben der Projektpartner*innen oder fachliche Schlaglichter zu Krankheitsbildern oder gesellschaftlichen Bedingungen in Bezug auf das Alter können hier näher beleuchtet werden. Die Präsentation wird als mündliche Leistung bewertet.

Planung und Organisatorisches
  • Für die Schulstruktur ist es ratsam, die Religionsstunden in der 8. Klasse auf die Randstunden zu verteilen. Dadurch kann der RU während der Projektzeit ausfallen, ohne die Struktur der Schüler*innen und Lehrkräfte maßgeblich zu beeinträchtigen.
  • Zu Beginn des Schuljahres werden die Eltern über das Projekt informiert. Eine erste Information und die Auseinandersetzung mit dem Ablauf und dem Zweck des Projekts erfolgen auch mit der Klasse.
  • Möglichst bis zu den Weihnachtsferien suchen sich die Schüler*innen eine(n) Projektpartner*in (oder auch ein (Ehe-)Paar). Eine Einverständniserklärung ist durch die Projektpartner*innen auszufüllen. Hier ist eine regelmäßige Erinnerung notwendig.
  • Um die Weihnachtsferien herum findet eine inhaltliche Vorbereitung im RU statt.
  • Das Projekt beginnt erst in der zweiten Woche nach den Winterferien, um die Schüler*innen vorher nochmal gemeinsam im Unterricht zu sehen und vorzubereiten.
  • Für einen gemeinsamen Abschluss des Projektes ist ein Abschlusstreffen aller Teilnehmenden (Schüler*innen und ältere Menschen) an einem Nachmittag eine gute Möglichkeit. Gerade dieses muss aber langfristig geplant werden, da sich erfahrungsgemäß die schulischen Sonderveranstaltungen zum Ende des Schuljahres häufen. Alternativ besteht die Möglichkeit, den Abschluss in die regelmäßigen Andachten oder Gottesdienste zu integrieren und die Projektpartner*innen dazu einzuladen. Auch zu Klassenfesten kann ein Wiedersehen stattfinden.
Beachtenswertes
  • Für den Erfolg des Projekts ist es entscheidend, die Schüler*innen weder zu überfordern noch zu unterfordern. Sie müssen vorbereitet und begleitet werden, insbesondere bei schwierigen Themen wie Krankheit, Demenz oder Tod. Vereinzelt erleben die Schüler*innen schwere Krankheiten oder sogar den Tod ihrer Projektpartner*innen (im Vorfeld, während des Projektzeitraums oder nach dem Projekt) und müssen damit umgehen.
  • Manchmal stimmt die Chemie zwischen den Parteien auch nicht. Die Lehrkräfte müssen dann entsprechend beraten oder bei einem Wechsel des/der Projektpartner*in unterstützen. Hier empfiehlt es sich, Schulpaten oder der Schule nahestehende Vereine (Freundes- oder Fördervereine) miteinzubeziehen, die sich kurzfristig bereit erklären, einzuspringen.
  • Nicht zu unterschätzen ist die Zeitstruktur von älteren Menschen. Oft sind die Schüler*innen ob der vollen Terminkalender der Projektpartner*innen überrascht. Darauf gilt es bei der Vorbereitung hinzuweisen, um die langfristige Planung der Termine zu erleichtern.
  • Gerade bei der Ankündigung des Projekts entstehen aufseiten der Jugendlichen oft viel Skepsis, Ängste oder Bedenken: zeitlicher Umfang, Berührungsängste, Angst vor Langeweile, etc. Diese sind ernst zu nehmen, lösen sich aber mit der Zeit erfahrungsgemäß auf (siehe Beobachtungen).  Zur Vorentlastung ist es möglich, dass ehemalige Teilnehmer*innen in der Klasse von den Erlebnissen berichten (sowohl ältere Schüler*innen oder Projektpartner*innen).
Beobachtungen

Das Projekt hat auch über den Projektzeitraum hinaus eine nachhaltige, soziale Wirkung. Regelmäßig findet eine Verstetigung der Kontakte statt. Treffen, Aktivitäten und Besuche werden über die Zeit fortgesetzt oder die älteren Personen nehmen an wichtigen Lebensereignissen wie Konfirmation, Taufe oder Schulabschluss teil. Umgekehrt binden sich die Schüler*innen fester in das Leben der älteren Menschen ein. Traurig, aber berührend ist zu sehen, dass sie manchmal sogar noch einige Jahre später an den Beerdigungen ihrer ehemaligen Projektpartner*innen teilnehmen.

Als sozial stärkend hat sich dabei die Verbindung über Großeltern von Freund*innen erwiesen. Durch das Kennenlernen der engen Familienmitglieder der Klassenkamerad*innen und Freund*innen wird auch die direkte Verbindung der Schüler*innen untereinander gestärkt. Das wirkt sich wiederum positiv auf das Klassenklima aus.

Insgesamt wird das Projekt daher abschließend von den Schüler*innen mehrheitlich positiv bewertet. Das zeigt, dass vorherige Bedenken und Ängste überwunden und positiv gestaltet werden konnten.

Für den fachübergreifenden Unterricht ergeben durch die unterschiedlichen Hintergründe der älteren Personen zahlreiche Anknüpfungspunkte, die in anderen Fächern aufgegriffen werden können. Es entstehen Kontakte zu Zeitzeugen, die wiederum in die Schule eingeladen werden können.

Die Corona-Pandemie mit ihren Kontaktbeschränkungen hat sich zunächst als Hürde für das Projekt erwiesen. Ein Weiterführen war trotzdem möglich. Die Teilnehmenden haben sich gegenseitig Briefe geschrieben oder miteinander telefoniert. So konnte die soziale Einsamkeit dieser Zeit aufgebrochen werden.

Quelle

Evangelische Schule Steglitz